Verfasst von: Christoph | 9. Dezember 2014

Eckbank

10644235_591484997622162_8457478676536650415_oGestern endete der 92jähre Weg meiner Großmutter auf dem Friedhof ihrer schweizerischen Heimatstadt. Wenn am Ende eines Lebens die Erinnerung der acht Kinder an „s’Mami“, der 22 Enkel an „s’Grosi“ (und 17 Urenkel gibt es auch noch) vor allem von deren übergroßen Güte handelt, dann hat zweifellos ein großartiger Mensch diese Welt verlassen. Sie hieß Agathe: „die Gute“.

In meinen Erinnerungen verbindet sich mit ihr, die ich aufgrund der räumlichen Entfernung kaum öfter als einmal im Jahr sah, aber auch ein Gegenstand, ein Raum, ein Ort. Denke ich „Grosi“, sitze ich unwillkürlich und ebenso unvermeidlich auf einer Eckbank hinter einem wachstuchbedeckten Esstisch in ihrer Küche. Hauptmerkmal dieser Eckbank: sie ist eng. Unbeschreiblich eng! Es glich einem Wunder, sie zu er- und den Tisch zu hinterklettern und saß man einmal dort, war an Aufstehen nicht mehr zu denken. Besonders zu Zeiten, als vor Kopf noch der Großvater saß – still und aufgrund seiner Schwerhörigkeit kaum der Konversation folgend, als die jüngsten Onkels und alten Großtanten noch im Haus lebten, weitere Familienmitglieder rasch vorbeischauten, weil „die Deutschen“ zu Besuch waren und so der kleine Tisch in der winzigen Küche von gefühlten 34 Personen bevölkert war … da beschlugen die Scheiben des Fensters und von der Eckbank gab es kein Entrinnen. Und die Zeit verrann mit ostschweizerischem Dialekt im Ohr, Hefezopf im Mund und einem Geruch in der Nase, dessen Quelle mir unbekannt, dessen Eigenheit jedoch unverwechselbar mit diesem Ort verbunden war.

Nirgends sonst auf diesem Globus könnte ich solch einen Ort mögen – doch diese Eckbank schien mir schon als Junge der Ort zu sein, an dem mein Leben irgendwie seine Wurzeln hatte. Als ob es irgendwann hier begonnen hätte. Als ob ich deshalb auch ab und zu zu diesem Ort zurückkehren müsse. Als ob hier Heimat wäre.

Ich war schon lange nicht mehr dort und ich werde nie wieder dort sein. Nicht mal ein Foto besitze ich von diesem Ort. Doch etwas ist geblieben und wurde mir gestern im Kreis der Großfamilie dieser Frau wieder bewusst: dieser eckbankliche Heimat-Ort erwuchs tatsächlich aus ihrer Liebe zu uns. Und diese Liebe kam aus ihrem Gauben. Sie lebte eine Frömmigkeit, die nicht die meine ist. Sie sprach auf eine Weise von Jesus, wie ich es nicht tue. Hätten meine Großmutter und ich jemals über Theologie diskutiert … Gott bewahre! Hat er ja auch. Aber ihr tiefer Glaube äußerte sich in einer Güte und Menschenfreundlichkeit, die ihres gleichen sucht. Die Falten im Gesicht eines alten Menschen verraten manchmal viel über den Charakter. Meine Großmutter hatte Falten vom Lächeln und Dankbar-sein. Jahrzehntelanges Arbeiten hatten ihren Rücken gebeugt, doch ein Leben lang mit zusammengekniffenen Augenwinkeln Leute wie uns anlächeln hatte ihr die Güte Gottes ins Gesicht gezeichnet.

Es gab noch einen Gegenstand von Bedeutung in ihrer Wohnung. Eine Kommode und auf ihr unzählige Fotos all ihrer Nachkommen und deren Partner. Oft stand ich als Junge davor und betrachtete die Bilder. Schon deshalb, weil man in diesem Wohnzimmer sonst nicht viel anderes tun konnte. Diese Menschen – also wir – waren ihr tatsächlich das Wichtigste in ihrem Leben. Ich wüsste nicht, was sie sonst noch Wertvolles „besessen“ hätte, außer „ihren Jesus“, ihre Bibel und ihre Familie. Jedes Jahr fand sich pünktlich Geburtstagspost von ihr in unserem Briefkasten und es wäre möglich, das wahr ist, was manche vermuten: dass sie täglich für jeden dieser ihrer Lieben gebetet hat. Täglich.

Ich frage mich, wie mein Leben wohl verlaufen wäre, hätte sie das nicht getan.

Danke, Grosi.

Verfasst von: Christoph | 13. November 2012

Hammer Buch!

Musste mein eigenes Blog googeln, um es wiederzufinden. So lange ist es her, dass ich hier was gepostet hab. Hab in der Zwischenzeit ein Buch geschrieben – da fehlte mir für weitere schriftliche Verlautbarungen einfach die Motivation. Es heißt Neunmalweise – bitteschön, hier geht’s zur entsprechenden Webpage und hier zur Facebookseite.

Aber mein erster Post seit Monaten bewirbt ein anderes Buch, nämlich dieses hier: Gott braucht dich nicht von Esther Maria Magnis. Gestern Mittag traf es per Post ein und gestern Abend klappte ich es nach der 238ten und letzten Seite mit einem „Whow“ und dem Gefühl, etwas Großartiges berührt zu haben, wieder zu.

Ich bin nicht der erste, der dieses Buch lobt. Wahrscheinlich gibt es bereits zig Blogeinträge dazu, obwohl es erst sein September auf dem Markt ist. Ich hab es nur bestellt, weil jemand es auf Facebook empfahl, auf dessen Buchgeschmack ich etwas gebe. Ich hatte trotzdem wenig Erwartungen. Der Titel macht mich überhaupt nicht an und das Cover ist so langweilig, dass es wahrscheinlich genial ist und ich checke es nur nicht. Der Name der Autorin führte mich auch irgendwie auf eine falsche Fährte. Ich erwartet eine biedere Mittfünfzigerin, die ein weiteres Buch veröffentlicht – statt dessen schaut mich vom Einband eine 32jährige Religionswissenschaftlerin aus dunklen Augen an, die zu hübsch ist für diesen Beruf und die noch nie ein Buch geschrieben hat.

Dass ein Erstlingswerk in einer so schmucklosen Verpackung einen dann mit einer solch gewaltigen schriftstellerischen Wucht in seinen Bann zieht, hat beinahe etwas verstörendes. Dabei erzählt Esther Magnis nur ihre kurze Lebensgeschichte. Auszugsweise. Schlaglichtartig. Oft in kurzweiligen, spielerischen, schlichten Worten. Manchmal mit den ruppigen Bergriffen einer Heranwachsenden. Manchmal in dichten und langen Sätzen, die man zwei mal lesen muss und die schon fast lyrisch zu nennen sind. Sie erzählt die Geschichte ihres Glaubens an Gott. Wie sie ihn findet, als kleines katholisches Mädchen in einer Nacht am Atlantik. Wie sie sich auf ihn verlässt, mit der verweifelten und radikalen Kraft einer Teenagerin, als ihr Vater unheilbar an Krebs erkrankt. Wie sie ihn verliert, als ihr Vater stirbt, und mit Gott sich selbst, den Sinn und alles … und wie sie ihn wiederfindet, am Ende, zögernd, ohne Happy Ende, ohne erleuchtetes Jubilieren und ohne göttliche Erklärung, warum in dieser Welt passiert, was passiert.

Googelt man ihr Buch, wird es oft in die Sparte Religionskritik eingeordnet. Zu Recht wohl, denn sie räumt auf und hinterfragt und zerschmettert, was arm und billig ist an ihrer Kirche (und wohl nicht nur ihrer). Nach der Lektüre dieses Buches wird mancher Pfarrer nicht mehr predigen, was er immer predigte – oder er hat nicht verstanden, was er las. Und gleichzeitig haucht dieses Buch dem Leser kraftvollen Glauben ein. Glauben an einen Gott, der Wahrheit und Liebe ist, auch wenn er in einer Unerbittlichkeit schweigt, die ein junge Frau, die an ihn glauben wollte, fast den Verstand gekostet hat.

Gott ist schrecklich. So schön er auch ist – so unendlich tief seine Liebe und Zuneigung zu den Menschen sein mag. Ich erschrecke vor Gott. Und die Schrecken aus der Zeit damals lassen mich in meinen Gebeten immer noch humpeln. Und es ist ein Lüge, die in manchen Kirchengemeinden verbreitet wird, wenn sie sagen. Wir haben keine Drohbotschaft, wir haben eine Frohbotschaft. Es ist nicht wahr. Es ist einfach nicht wahr.

Gott hat sich in dieser Welt am Kreuz hinrichten lassen. Das gehört zu den deckigsten Todesarten, die es gibt. Und Gott hat zugelassen, dass mein Bruder sich zu Tode erschrak. Und Gott hat gesagt, dass jeder sein Kreuz in dieser Welt auf sich nehmen und ihm nachfolgen soll. Es war nie die Rede davon, dass es hier witzig wird. Es war nie die Rede davon, dass uns allen die Sonne aus dem Arsch scheint. Unser Glaube, der Glaube der Christen, hat einen Schrecken. Unser Glaube macht „BUH!“. Unser Glaube hat in sich das Wissen um den ganzen Dreck dieser Welt. Er hat einen Schrecken. So wie diese Welt. Und erst dann kommt die Frohe Botschaft. Vorher gibt es keinen Grund, dumm grinsend auf der Kanzel zu stehen und die Menschen, die echte Not haben, deren Ehen gerade kaputtgehen, deren Kinder krank werden, deren Geschwister sterben und Eltern dement werden, deren Herzen gebrochen werden, deren Stolz verletzt wird, mit einem weichen gemütlichen Gesäusel und Sozialkitsch einzulullen.

(Esther Magnis, Gott braucht dich nicht, S.223)

Verfasst von: Christoph | 30. März 2011

Komm ich jetzt ins Fernsehen?

Das ist Tim. Kurz vor dem Casting im Endemol-Studio in Köln. Für die Show Rette die Million. Das Bild hab ich gemacht. Denn ich bin sein Partner – vielmehr: er ist meiner. Und wir waren gut! Jedenfalls im Casting.

Denn am kommenden Mittwoch, 6.April, 20:15 Uhr werden wir im ZDF mit Jörg Pilawa um eine Million Euro spielen. Kein Witz! Wenn ich danach Millionär bin, gebe ich einen aus.

 

 

Verfasst von: Christoph | 15. November 2010

Leiterschaft ist überbewertet

Sehr schöne Lektion in Sachen Leiterschaft. Nicht brandneu, aber wer’s noch nicht kennt, kann was lernen!

Zusammenfassung:

> ein Leiter braucht den Mut, herauszustechen und sich lächerlich zu machen

> was er tut, ist leicht nachzuahmen

> ein Leiter behandelt die ersten Nachfolger als „Gleichgesinnte“

> der erste Nachfolger übt eine total unterschätzte Form von Leiterschaft aus. Der erste Nachfolger verwandelt einen „einsamen Irren“ in einen Leiter.

> eine Bewegung muss öffentlich sichtbar sein. Vor allem die Nachfolger müssen zu sehen sein, denn die Nächsten ahmen die Nachfolger nach, nicht den Leiter.

> je mehr mitmachen, desto weniger riskant wird es, auch mitzumachen. Jetzt muss man sich beeilen, um noch Teil eines Trends zu sein. Jetzt macht man sich lächerlich, wenn man nicht mitmacht.

Die Lektion: Leiterschaft wird überbewertet! Es ist der erste Nachfolger, der aus einem „Verrückten“ einen Leiter macht! Um eine Bewegung zu starten, ist es wichtiger, zu folgen und den Mut zu haben, anderen zu zeigen, wie man folgt, als selbst zu leiten.

„Wenn du einen einsamen Irren siehst, der etwas großartiges tut, hab den Mut aufzustehen und es ihm nachzumachen!“

Verfasst von: Christoph | 9. November 2010

Worte eines Leiters

Menschen, die eine Führungspostition inne haben und ein Team leiten, machen sich viele Gedanken über die Art und Weise ihrer Kommunikation. Wann kann und muss ich wo wie was sagen – und wo nicht. Leiter haben gelernt, ihr Team bei Bedarf intern zu kritisieren, sich nach außen aber immer vor die eigene Leute zu stellen. Leiter wissen um die Kraft positiver Motivation und wie sehr persönlich gefärbte Kritik ein Team demoralisieren kann. Ein Leiter muss an sein Team glauben und die Teammitglieder müssen das wissen. Ein Leiter überlegt sich gut, was er öffentlich verlautbart, ein Leiter bleibt sachlich … usw … usw.

Manchmal wird aus all diesen „Leiter wissen – Leiter müssen“ ein ziemlicher Krampf, der einem sauber auf die Nerven geht.

Wenn du ein Leiter bist und das Gefühl hast, nicht mehr autentisch Mensch sein zu können, weil dein Verhalten ja gleich Auswirkungen auf die anderen hat, dann mag dir das folgende Interview Hoffnung geben. Es zeigt einen Leiter, der ist, wie er ist, der alle Regeln bricht, und dennoch Erfolg hat. Sehr sehr entspannend, wie ich finde. Und einfach göttlich anzuschauen!

 

 

 

 

 

Verfasst von: Christoph | 8. November 2010

nie wieder?

35 Jahre her

Manchmal schlafe ich abends mit der Angst vor dem Tod ein. Nein falsch – nicht Angst vor dem Tod. Angst vor dem älter werden. Eigentlich auch nicht Angst vor dem älter werden, sondern die unerbittliche Erkenntnis dieser Tatsache ist es, die mich in den Schlaf begleitet. Das ich älter werden, ist an dieser Erkenntnis gar nicht mal das bittere, sondern dass die Welt um mich herum älter wird und … vergeht.

Es ist der Schmerz über das unwiederbringliche Vergehen alter Zeiten, obwohl ich doch sonst ein Mensch bin, der die Hymnen auf die Vergangenheit aus Prinzip nicht mitsingt. Ich denke an meinen Opa väterlicherseits und frage mich, ob er allen Ernstes nun schon seit 17 Jahren tot sein kann. Seit 17 Jahren? Saß er nicht gerade eben noch vor Kopf an dem kleinen Küchentisch und missinterpretierte aufgrund seines schlechten Gehörs die Konversation?

Und dann fallen mir nach und nach all die traurigen „Nie wieder“s ein, die nicht in ein öffentliches Blog gehören. Es sind diese Dinge, die du eben noch wie selbstverständlich als Teil deines Lebens gesehen hast, und nun geht dir auf, dass sie definitiv nie wieder geschehen werden. Nie wieder.

Zwei lächelnde Fragen vertreiben die Schatten der Nacht:

1. Der Wieviel-Millionste Ende-30-Jährige bin ich wohl, der sein Altwerden in sentimentalen Phrasen bejammert?

2. Ist der Himmel vielleicht nicht nur ein Ort der Wiederbelebung menschlichen Seins, sondern auch ein Ort der Auferstehung guter alter Zeiten, an dem aus dem „nie wieder“ ein „so oft du magst für immer und ewig“ wird?

Verfasst von: Christoph | 1. Oktober 2010

Gute Religion

Lese interessanten Gedanken Bonhoeffers beim Frühstück:

Er beschreibt die überraschende Erfahrung, dass in den Zeiten, in denen die Menschenrechte mit Füßen getreten werden, das genuin Christliche dieser Werte zu Tage tritt. Unter Verfolgung seiner eigenen Werte entdeckt der Humanist, der Verteidiger der Freiheit, der Demokrat seine innerer Nähe zur Kirche und ihrer Botschaft.

„Vernunft, Bildung, Humanität, Toleranz, Eigengesetzlichkeit – alle diese Begriffe, die noch bis vor kurzem als Kampfparolen gegen die Kirche, gegen das Christentum, gegen Jesus Christus selbst gedient hatten, fanden sich auf einmal überraschend dem Bereich des Christlichen ganz nahe gerückt. Dabei war es deutlich, dass es nicht die Kirche war, die den Schutz und die Bundesgenossenschaft suchte, sondern es waren umgekehrt diese Begriffe, die irgendwie heimatlos geworden waren und nun Zuflucht suchten im Bereich des Christlichen.“ (Bonhoeffer Brevier, 1985, S.392)

Dies wäre ein Kennzeichen einer Religion, die es verdient hat, geglaubt zu werden, wenn Streiter für das Gute plötzlich ihre Seelenverwandtschaft mit dem Herz dieser Religion entdecken.

Verfasst von: Christoph | 14. September 2010

Team-Bauerei

Nach zahllosen „Lies unbedingt mal was von…“ lese ich also endlich mal einen LENCIONI. Abgesehen von seinem echt coolen Nachnamen soll er auch sonst einer der ganz Großen sein – zumindest in Sachen Leadership und Teambuilding. Und da ich grade mit der Teambauerei beschäftigt bin, builde ich mich halt mal ein wenig weiter.

„Mein Traum-Team“ (Campus-Verlag) heißt der Bestseller von Patrick Lencioni und wenn man keine große schriftstellerische Leistung von ihm erwartet, kann man von den Inhalten sehr viel profitieren. Das Buch ist im Romanstil geschrieben, auf den Autoren von Management-Büchern ab und zu verfallen, um ihren trockenen Inhalt anschaulicher rüber zu bringen. Die fiktive Geschichte des desolaten Führungsteams eines IT-Unternehmens, das durch ihre neue Chefin zu einem echten Team geformt werden soll, liest sich hölzern und konstruiert. Macht aber nix, denn was man dabei lernt, ist es wert.

Lencioni beschreibt fünf Krankheiten eines Teams, die erfolgreiches Zusammenarbeiten verhindern. Die daraus resultierenden Prinzipien für gute Teamarbeit sind total einfach (in der Theorie), aber harte Arbeit (in der Praxis).

Die Grundlage für jedes Team ist gegenseitiges Vertrauen. Die Krankheit, die in vielen Teams herrscht, ist aber grade FEHLENDES VERTRAUEN zwischen den Teammitgliedern. Die Folge: UNVERLETZBARKEIT. Man kann nicht offen und ehrlich miteinander umgehen, da man sich nicht verwundbar machen will. In einem gesunden Team hingegen scheut niemand davor zurück, seine Fehler und Schwächen einzugestehen und Bedenken zu schildern, weil er keine Repressalien zu fürchten braucht.

Auf der Vertrauensbasis fußt die Konfliktfähigkeit. Die Krankheit, die aus fehlendem Vertrauen entsteht, lautet ANGST VOR KONFLIKTEN. Künstliche Harmonie wird einer ehrlichen Auseinandersetzung vorgezogen und lähmt das ganze Team.

Daraus entsteht UNVERBINDLICHKEIT. Denn: wenn Entscheidungen nicht durch eine ehrliche und offene Diskussion entstanden sind, bei der jede (auch kritische) Meinung Gehör gefunden hat, werden die einzelnen Teammitglieder später auch nicht wirklich hinter der Entscheidung stehen. Die Folge ist MEHRDEUTIGKEIT. Es werden keine verbindlichen Zusagen gegeben. Die Entscheidung steht auf wackligen Beinen.

Die nächste Krankheit heißt VERANTWORTUNG ABLEHNEN. In einem kranken Team herrscht keine große Motivation, die eigene Verantwortung wahrzunehmen. Noch weniger mag man andere Teammitglieder an ihre Verantwortung erinnern, wenn deren Leistung erkennbar zu wünschen übrig lässt. Die Folge: NIEDRIGER LEISTUNGSSTANDART.

Die Spitze der Pyramide ist das DESINTERESSE AN ERGEBNISSEN. In kranken Teams werden weniger Ziele erreicht und den einzelnen Teammitglieder ist das auch weniger wichtig – weniger wichtig als die eigenen Ziele zu erreichen. Das individuelle Streben nach STATUS UND EGO wird wichtiger als die Teamleistung und das Erreichen gemeinsamer Ziele.

Das Buch enthält am Ende eine Fragebogen für eine Teamanalyse sowie praktische Ansätze, mit dem Team die Krankheiten zu erkennen und zu überwinden.

Verfasst von: Christoph | 21. August 2010

Das Spiel des Engels

Die gut 700 Seiten hab ich schnell gelesen. Ein gutes Buch von einem guten Autor, der sein Spiel mit Worten versteht. Wer’s noch LESEN will, sollte genau das mit diesem Blogartikel AB HIER nicht mehr tun. Denn ich werde hier jetzt ein paar Worte zur Interpretation des Buches verlieren…

In der Hoffnung, dass einige von euch das Buch bereits gelesen haben, interessiert mich eure Interpretation der ebenso fesselnden wie verwirrenden Handlung.

Allerdings ist meine eigene ziemlich desillusioniert:

Ich schätze, eine „richtige“ Interpretation des Buches gibt es nicht und ich fürchte, das spricht nicht wirklich für die Klasse dieses Buches. Das Buch soll bewusst verwirren und den Leser mit offenen Fragen zurücklassen, aber ich werde den Eindruck nicht los, dass auch der Autor selbst seine Geschichte nicht versteht und es sich in gewisser Weise einfach gemacht hat. Er erspinnt ein Drunter und Drüber verworrener (und zugegeben extrem unterhaltsamer) Erzählstränge, das sich aber letztlich nicht auflöst und darum irgendwie auch keine wirklich zufriedenstellende Geschichte ergibt.

Es würde großen Spaß machen, über den Inhalt zu rätseln und verschiedene Interpretationen zu diskutieren, wenn Aussicht bestünde, dass das Rätsel lösbar ist. Ein Ansatz wäre der, zwischen Realität und Wahnvorstellung der Hauptfigur zu unterscheiden zu versuchen. Welche Personen sind real, welche bildet David sich nur ein? Ein Ansatz wäre, Corelli (der m.E. ohne Zweifel den Teufel darstellt) als Teil von Davids Selbst zu sehen. Einiges spricht dafür. Ein anderer Ansatz (den ich beim Lesen für den wahrscheinlichsten hielt) ist der, dass die ZEIT die größte Rolle spielt. Dauernd erlebt David seine Abenteuer an Orten und mit Menschen, die sich später als längst „vergangen“ herausstellen. Oder: David erlebt einfach nur, was er selbst geschrieben hat. Mehrmals wird auf sein Buch „Die Stadt der Verdammten“ angespielt.

Wie gesagt, es wäre spannend, das Rätsel zu lösen, würde ich dem Autor zutrauen, eine genial verschachtelte, aber letztlich doch entschlüsselbare Geschichte geschrieben zu haben. Hat er wohl schon mal. Aber ich fürchte, diesmal hat er das nicht mal versucht…

Andere Meinungen?

Verfasst von: Christoph | 26. Juni 2010

Die Tragödie kritischen Denkens

Seit ein paar Tagen lerne ich, sehr zu Freude meiner Gattin, wie man DENKT. Und zwar von Edward De Bono mittels seiner „neuen Denkschule“, ein kleines leicht zu lesendes Taschenbuch (siehe rechts). Hatte noch nie von dem Knaben gehört, aber anscheinend ist ein bekannter Mann. Eine seiner Hauptaussagen: denken können und intelligent sein ist nicht dasselbe. Unter Intelligenz versteht De Bono lediglich das intellektuelle Grundkapital, dass ein Mensch zu Verfügung hat. Das Denken hingegen ist die Fähigkeit, dieses Grundkapital gewinnbringend einzusetzen. Nicht wenige hochintelligente Menschen sind seiner Meinung nach schlechte Denker und deshalb „Gefangene falscher Ansichten, denn sie können [aufgrund ihrer Intelligenz] ihren Standpunkt gut rechtfertigen“, haben also keine Veranlassung, umzudenken.

Interessant (und darum einen Blogbeitrag wert) finde ich De Bonos bissiges Hinterfragen unserer westlichen Art und Weise, in Meinungsverschiedenheiten zu guten Entscheidungen zu kommen, z.B. in Politik, Recht, Wirtschaft, Beziehung (… und in der Kirche begegnet es mir auch). Wir setzen voll auf das „Konfrontationssystem“, d.h. „wir glauben wirklich daran, dass beim Aufeinanderprallen gegensätzlicher Meinungen die bessere gewinnt.“ Also wird diskutiert, gestritten, die eigene Position verteidigt und die gegnerische angegriffen, mit dem Ziel, den anderen zu überzeugen und dann der besseren Variante zu folgen.

Der Nachteil des Konfrontationssystems liegt nicht in der Gefahr, dass die schlechteren Argumente sich durchsetzen könnten, sondern darin, dass diese Art des Denkens extrem destruktiv ist. Viel Zeit und Energie wird verschwendet, um die Schwächen der anderen Position (z.B. einer neuen Idee) zu entlarven, anstatt dass die Stärken beider Meinungen herausgestellt und auf dieser Basis konstruktiv weitergedacht und die Schwächen minimiert würden. Kritik ist einfach und kann fast jede Idee zerstören, denn fast immer finden sich Schwachpunkte. Die große Tragödie des Konfrontationssystems liegt darin, dass ein Gedankengang, der zu 90% richtig und zu 10% falsch ist, aufgrund der fehlerhaften 10% zu 100% verworfen wird. Diese Denkweise vernichtet gute Ideen! Bestmögliches Ergebnis ist ein Kompromiss, doch der ist nur der kleinste gemeinsame Nenner und selten die tatsächlich beste Vatiante.

„Der Reiz des Konfrontationssystems liegt auf der Hand. Negative Kritik eröffnet dem Scheindenken große Chancen. Sie ist die Zuflucht des mittelmäßigen Geistes und leider auch des brillanten. Der Mittelmäßige, der zu nichts anderem imstande ist, findet Kritik einfach, weil sie ein der billigsten Denkmethoden ist. Man kann alles kritisieren (…), negative Kritik ist für den durchschnittlichen Geist eben ein einfaches Betätigungsfeld. Leider verführt sie auch brillante Leute (…), das liegt daran, dass negative Kritik uns ein Gefühl des Erfolgs und der Überlegenheit vermittelt. Es ist eine Tragödie, dass so viele hochintelligente Menschen in der westlichen Kultur in dieser unkonstruktiven Denkweise gefangen sind. Schließlich sind wir nicht mit einer derartigen Fülle von kreativem Denken konfrontiert, dass wir kritische Denker brauchen, um ein Überschäumen zu verhindern.“

Amen dazu.

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